POst #10

Ich hasste den Krankenhausgeruch, aber für Mario blieb ich gern hier. Dialya saß mit angewinkelten Knien am Boden und sah mit leerem Blick in irgendeine Richtung. Ich setzte mich zu ihr, als ich lange genug hin und her gewandert war. „Ich habe Clara nur beschützt.“, sagte ich, weil ich an Dialyas eifersüchtigen Blick denken musste. „Weiß ich.“, flüsterte sie, „Trotzdem.“ Sie war schon die ganze Zeit sehr kurz angebunden. Sie sprach mit so wenig Worten wie möglich und schien so abwesend. Ich machte mir Sorgen. „Was hast du denn?“, fragte ich und nahm ihre Hand. Sie umschloss meine so fest wie sie konnte. „Es musste ein…“, fing Dialya an, doch ihr Vater kam gerade in diesem Moment. „Ich hab hier etwas zu knabbern für euch, Kinder.“, sagte ihr Vater. „Danke, John.“, sagte ich und nahm die Erdnüsse an. Dialya wandte ihren Blick ab. „Ich hab noch was vergessen.“, sagte ich und drehte ihr Gesicht zu mir, „Danke, dass du uns gerettet hast.“ Ich drückte meine Lippen sanft auf ihre und konnte für einen kurzen Moment Dialyas Lächeln spüren, aber es verschwand so schnell wie es kam. Nach dem Kuss sah sie wieder abwesend weg. John stand auf. „Ich geh mir mal die Beine vertreten.“, meinte er und nahm seinen Kaffeebecher, „Ihr habt hier wohl etwas zu bereden.“ Als Dialyas Vater weg war, drehte sie sich zu mir. „Ich habe einen Pfeil abgewehrt, der wohl daraufhin in seine Richtung geflogen sein muss.“, schluchzte sie, „Ich bin schuld daran.“ „Nein.“, sagte ich, „Das ist doch nicht wahr.“ Ich versuchte sie aufzubauen, aber Dialya schüttelte ab. „Ich weiß, was ich tat, Felix.“ Ich legte meinen Kopf in den Nacken und starrte in die gleisenden Krankenhauslichter hoch. Mario würde das überleben, das haben sie uns schon gesagt. Wäre er aber einige Minuten später gekommen, dann wäre er verblutet. Ich hätte fast meinen besten Freund verloren. Tränen traten mir brennend in die Augen, welche ich sofort versuchte wegzublinzeln. Dialya lehnte ihren Kopf auf meine Schulter und war ziemlich schnell eingeschlafen. Sie war erschöpft, das verstand ich. Es trat ein betretenes Schweigen ein, welches andauerte, bis Dialyas Vater wieder zurückkam. Er setzte sich zuerst fünf Minuten genauso schweigend hin, bis er tief Luft holte. „Dein Vater war heute Nachmittag bei uns Daheim.“, sagte er schmunzelnd. Uns? Hat er mich da jetzt mit einbezogen? „Was wollte er?“, fragte ich unberührt. Mein Vater war mir mittlerweile so egal, ich konnte es gar nicht in Worte fassen. „Er hatte einen Anruf von der Schule bekommen, – ich übrigens auch, wegen unserem Problemfall – weil ihr abgehauen seid. Er wollte unbedingt wissen, wo ihr seid. Er hat geklingelt, ist hereingestürzt und hat Verwünschungen ausgerufen. Mich beleidigt, dass ich einen schlechten Einfluss auf Felix hätte, durch meine nichtsnutzigen Künstlereigenschaften, und Dialya beschimpft, dass sie gefälligst die Seele seines Sohnes in Ruhe lassen solle und so weiter. Ich denke, wir haben einen neuen besten Freund.“ John lachte amüsiert und riss mich mit. „Ich hasse ihn.“ „Ich nicht. Er ist ein guter Vater, denn er hat Recht. Wenn Dialya sich nicht in dich verliebt hätte, – übrigens Respekt, wie hast du das denn gemacht? – dann wäre deine Seele jetzt sonst wo. Dein Vater macht sich nur Sorgen um dich.“ „Und schlägt mich.“, flüsterte ich und wurde unendlich traurig. Dialya und ihr Vater hatten – wenn ihr Vater nicht gerade einen schlechten Tag hat – ein annehmbar gutes Verhältnis. Ich war irgendwie eifersüchtig. „Felix Kehr?“ Eine Krankenschwester kam auf uns zu. Ich meldete mich und sie gab mir die Hand. Vorsichtig weckte ich Dialya und stand dann auf. Sie rieb sich die Augen, was unglaublich süß aussah. Ich half ihr auf. „Ihr Freund ist aufgewacht. Er braucht noch etwas Ruhe, aber ich glaube ihr könnt zu ihm hinein. Aber nicht lange.“, erklärte die Krankenschwester und zeigte uns dann sein Zimmer. „Danke.“, murmelte ich und betrat mit Dialya und John Marios Zimmer. „Hey, Kumpel.“, begrüßte ich Mario. Er lächelte benommen und hob die Hand zum Gruß. „Depp. Was geht?“, sagte er. „Wie sieht’s aus?“, fragte Dialya und berührte sanft Marios Bandagen an seinem Arm. „Weiß ned. Bin grad erst aufgewacht. Die Deppen sagten, ich wär fast verreckt, Mann.“ „Tut mir leid.“ Dialya traten Tränen in die Augen. Ich hatte Mitleid mit ihr. Sie gab sich die Schuld an etwas, für das sie nichts konnte. „Du bist nicht schuld.“, flüsterte ich ihr ins Ohr und küsste ihre Schläfe. Ich umarmte sie von hinten und sie umfasste mit ihren Händen meinen Arm. „Was ist passiert?“, fragte John. Ach, stimmt ja. Wir haben ihm noch gar nichts erzählt. „Dharnia.“, sagte Dialya und es schien, als wäre schon alles erklärt, denn Johns Blick verhärtete sich. „Ist sie jetzt tot?“, fragt er mit einem Lächeln, „Endlich?“ Dialya nickte. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber ich wette sie lächelte. Wir redeten noch ein wenig mit Mario, erzählten, dass mein Vater fast durchdrehte und dann kam schon die Krankenschwester herein. Sie erinnerte uns daran, dass Mario unbedingt etwas Ruhe brauchte. Also verabschiedeten wir uns und versprachen, dass wir morgen nochmal vorbeikommen würden. Er riss ein paar Scherze und dann gingen wir. Mit Johns Auto fuhren wir dann Richtung Heim. „Zuhause essen wir erst mal was.“, lächelte John und sah in den Rückspiegel, „Das habt ihr euch verdient. Nebenbei erzählt ihr mir, was genau passiert ist.“ Dialya stimmte lächelnd zu und sah wieder etwas glücklicher aus. Zu Hause angekommen saßen Dialya und ich uns auf die Couch, während John in der offenen Küche stand und uns Vorschläge für ein Abendessen machte. „Ich hab‘ Bock auf Nudeln.“, sagte Dialya und spielte mit meinen Fingern. „Haben wir da. Pasta?“, fragte John woraufhin Dialya lächelnd nickte. Die beiden verstanden sich einfach so, ohne große Worte. Mich machte das neidisch. Dialya ergriff fest meine Hand und stand auf. „Wir warten unten.“, sagte sie. „Ist gut.“, murmelte ihr Vater. Dialya führte mich in ihr Zimmer und schloss die Tür, dann drehte sie den Schlüssel um. „Was hast du…“ Weiter kam ich nicht, denn Dialya fiel über mich her. Sie faltete ihre Hände ein meinem Nacken, während sie sanft in meine Lippen biss. „Ich liebe dich.“, flüstere sie, als sich unsere Lippen kurz trennten. Ihr Blick haftete sich auf meine Lippen und mir wurde unnatürlich heiß. Ich umfasste sanft ihr Gesicht und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Ich musste mich zurücknehmen, denn sonst würde ich hier etwas verlieren, für dessen Verlust ich noch nicht bereit war. Dialya küsste wieder meine Lippen und legte ihre Hände auf meine Brust, während ich meine Hände auf ihren Hüften ruhen ließ. Dialya ließ kurz von mir ab, nahm meine Hand und zog mich zum Bett. Sie setzte sich auf die Kante und schaute mich erwartungsvoll an. Ich beugte mich hinunter und küsste sie, während ich mich an ihren Schultern festhielt. Dialya packte meinen Kragen und legte sich zurück. Durch ihren Zug musste ich mich auf sie legen und mich mit meinen Ellbogen rechts und links abstützen. „Was willst du jetzt von mir?“, fragte ich sie und küsste ihre Lippen. Sie drückte mich mit zusammengepressten Lippen zur Seite und setzte sich auf. „Weiß ich nicht.“ Sie spielte nervös mit ihren Fingern und versuchte mich nicht anzublicken. „Ich liebe dich.“, sagte ich und streichelte ihre Schulter, „Werde ich immer tun.“ Dialya drehte sich um, mit Tränen in den Augen, dann aber fing sie an zu lächeln. „Das macht mich glücklich.“, flüsterte sie und kuschelte sich an mich. Ich legte meine Wange an ihren Kopf und starrte ihren Schreibtisch an. War ich vielleicht doch bereit? Doch bevor ich mir eine Antwort drauf geben konnte, rief John uns von oben zum Essen. Dialya rief zurück, dass wir sofort kommen würden und stellte sich vor mich, dann küsste sie sanft meine Lippen, bevor sie mir ihre Hand anbot, welche ich ergriff, und mich dann wieder nach oben führte. „Also.“, fing John an und stellte uns jeweils einen Teller Pasta vor die Nase, „Erstens: Ihr seid übrigens suspendiert. Für den Rest der Woche. Zweitens: Was genau ist passiert?“ „Warte, was?“, fragte ich, „Was meinen Sie denn mit suspendiert.“ „Das ist nicht wichtig. Es ist deswegen, weil ihr abgehauen seid Felix. Nächste Woche dürft ihr wieder in die Schule.“ „Ok.“ Ich ließ es dabei, obwohl ich schon ein wenig erschrocken war. Das würde für immer meine Akte besudeln. Dialya schien das nicht zu stören. Sie aß genüsslich ihre Nudeln. „Erzählt mir jetzt lieber, was passiert ist.“, meinte John dann. Dialya und ich erzählten es dann jeweils aus unserer Sicht. Dialya ließ aber die Sache aus, dass sie sich selbst die Schuld an Marios Verletzung gab. „Sie wollte dich umbringen?“, fragte Dialya mich, als ich an der Reihe war. Ich nickte. „Sie hat geglaubt, dass du Carter verletzt hättest.“ „Du meinst, ich bin schu…“ „Also Dharnia hat den Tod eindeutig verdient.“, quatschte John dazwischen, bevor Dialya sich auch noch dafür die Schuld gab, „Ich hasste dieses Weib. Soll sie in der Höhle braten.“ Er stopfte sich eine weitere Gabel Pasta in den Mund und sah uns lächelnd an, aber Dialya stocherte nur in ihrem Essen herum, was mir auch den Appetit verderbte. Ich wollte sie so nicht sehen, aber das musste ich wohl, denn unsere Probleme beinhalteten noch immer zwei Gesandte und ein Psentum. Und wenn ich Dialya glauben durfte, was ich wirklich sollte, dann würde es Woche um Woche schwerer werden. „Was macht ihr heute noch? Müsst ihr noch jemanden begraben gehen?“, fragt John witzelnd, aber es lockerte die Stimmung nicht wirklich. „Es war nicht deine Schuld.“, sagte ich. „Doch! Das war es verdammt!“, schrie Dialya und stand schwungvoll auf, wobei sie ihren Stuhl nach hinten umwarf. „Ich weiß, was ich tat, Felix. Während du meintest du müsstest mit deiner Ex turteln, habe ich nämlich gekämpft.“ „Also darum geht’s?“ „Nein!“ Dialya fegte ihren Teller vom Tisch und stampfte wütend davon. Ich knirschte mit den Zähnen und wollte die Scherben aufnehmen, doch John sagte mir, ich solle mich setzen. „Was hast du getan?“, fragte er. „Ich habe nichts getan.“, verteidigte ich mich, denn das habe ich auch. Ich habe doch nur Clara beschützt. „Du kennst ihr Temperament. Also sei ehrlich.“ „Ich habe mich auf Clara gestürzt und uns zu Boden gestoßen, weil sie sonst von einem Pfeil getroffen worden wäre.“, meinte ich ganz ruhig. Ich wusste nicht, wieso ich mich hier nun zu verteidigen hatte, denn ich hatte nichts Falsches gemacht. „Das hast du ihr auch gesagt?“, fragte John nach. Ich nickte. „Ich hab ihr auch versichert, dass nichts war.“ Daraufhin überlegte Dialyas Vater. „John. Ohne Scheiß. Ich habe nichts anderes getan.“ „Weißt du, dass ich Dialyas Mutter, Elaine, betrogen habe?“, fragte John auf einmal. „Nein.“ „Habe ich aber. Dialya weiß das. Sie ist sehr empfindlich in dieser Hinsicht. Vor allem, weil sie für dich ihr Leben ändert, da muss sie sich also hundertprozentig sicher sein. Kann sie sich das sein?“ „Ja, verdammt!“, rief ich, weil es stimmte. Ich würde Dialya so etwas nie antun. „Sag nicht mir das. Sag es ihr.“ Und da fiel mir wieder etwas ein. Etwas, das mich immer an Dialya denken ließ. Ich habe mich, sozusagen, wegen diesem Satz in sie verliebt. Er war der Anfang dieses Glücks. Sag du es mir…   Dialya Ich dachte nicht gerne darüber nach, denn es schmerzte. Auch wenn ich nicht die war, die er betrog, fühlte ich mich betrogen. Mein Dad hatte gerade das Studium absolviert, was uns alle freute. Ich war um die vier Jahre alt. Wir hatten ein riesen Festessen für Dad, Mutter und mich. Dann vergingen ein paar Wochen, in denen Dad sehr distanziert war. Eines Nachts weckten mich Geräusche, die von unten kamen. Ich tapste aus dem Bett und trottete dann die Treppen hinunter, um meinen Dad zu entdecken, der gerade zwei Koffer aus der Tür schob. Ich rannte zu ihm hin und stolperte direkt vor seinen Füßen. „Dialya.“ Er hob mich hoch und kniete sich zu mir herunter. Seine warmen Hände umschlossen mein Gesicht und er lächelte. „Dia.“, flüsterte er, „Geh ins Bett. Und sag Mom morgen, dass ich nicht mehr zurückkomme, ja?“ Ich verstand die Welt nicht mehr. „Daddy, wieso…“ „Dia. Sei ein großes Mädchen.“, mahnte mich mein Dad, dann stand er auf und packte die Kofferhenkel. „Kommst du John?“, fragte eine kleine Frau, die vor einem Auto wartete, „Wir müssen los.“ Mein Dad ging auf sie zu, küsste sie, packte die Koffer in den Kofferraum des Wagens und stieg dann ein. Ich rannte hinaus in die kalte Luft des Pariser Winters und klatschte mit meinen nackten Füßen auf den nassen Boden. „Daddy.“, schrie ich. Der Motor ging an. „Daddy!“ Ich rannte und rannte, dann war der Wagen weg und ich fiel auf die Schnauze. Ich kauerte zusammen und fing an zu heulen, ließ den ganzen Frust durch Tränen hinaus und hatte einen solchen Hass auf meinen Dad. „Am nächsten Morgen fand ich meine Mutter heulend am Küchentisch. Sie las mir den Abschiedsbrief meines Vaters vor und versank in Tränen, während ich die Welt wirklich nicht mehr verstand.“ Ich legte meinen Kopf auf Felix‘ Brust, welcher auf dem Rücken auf meinem Bett lag. „Aber wie… Dein Vater hat dich doch dein ganzes Leben begleitet, hast du gesagt. Und er sitzt dort oben.“, widersprach Felix und war sichtlich verwirrt. „Er ist zurückgekommen. Noch am gleichen Tag, weil er Zweifel bekam. Er hatte diese Frau schon im Studium kennengelernt, öfters mit ihr geschlafen und dann wollten sie durchbrennen. Nach England. Aber mein Dad hat wohl erkannt, wo sein Herz wirklich hingehört. Mutter hat ihm sofort verziehen, aber ich war sehr lange distanziert. Als meine Mutter dann starb, verbesserte es sich zwischen uns irgendwie wieder, obwohl er mir immer die Schuld an dem Unfall gab. Und jetzt, da ist irgendwie alles wieder gut.“, erklärte ich und schniefte. „Wow. Das… ist hart.“ Felix strich durch meine Haare und atmete aus. „Das würde ich dir nie antun, Dialya. Das weißt du.“ „Woher soll ich das wissen?“, murmelte ich zurück, denn ich wusste nicht, warum ich mir da so sicher sein sollte, wie er sagte. „Ich bin christlich erzogen worden. Wenn ich an etwas glaube, dann an die Monogamie.“ Ich drehte mich auf den Bauch und starrte Felix an. „Monogamie.“, wiederholte ich, „Warum sollte mich das überzeugen?“ „Dann machen wir es anders.“, sagte Felix und lehnte sich zu mir. Er küsste mich. „Ich liebe dich.“, sagte er, „Das habe ich

POst #9

Ich hasste den Krankenhausgeruch, aber für Mario blieb ich gern hier. Dialya saß mit angewinkelten Knien am Boden und sah mit leerem Blick in irgendeine Richtung. Ich setzte mich zu ihr, als ich lange genug hin und her gewandert war. „Ich habe Clara nur beschützt.“, sagte ich, weil ich an Dialyas eifersüchtigen Blick denken musste. „Weiß ich.“, flüsterte sie, „Trotzdem.“ Sie war schon die ganze Zeit sehr kurz angebunden. Sie sprach mit so wenig Worten wie möglich und schien so abwesend. Ich machte mir Sorgen. „Was hast du denn?“, fragte ich und nahm ihre Hand. Sie umschloss meine so fest wie sie konnte. „Es musste ein…“, fing Dialya an, doch ihr Vater kam gerade in diesem Moment. „Ich hab hier etwas zu knabbern für euch, Kinder.“, sagte ihr Vater. „Danke, John.“, sagte ich und nahm die Erdnüsse an. Dialya wandte ihren Blick ab. „Ich hab noch was vergessen.“, sagte ich und drehte ihr Gesicht zu mir, „Danke, dass du uns gerettet hast.“ Ich drückte meine Lippen sanft auf ihre und konnte für einen kurzen Moment Dialyas Lächeln spüren, aber es verschwand so schnell wie es kam. Nach dem Kuss sah sie wieder abwesend weg. John stand auf. „Ich geh mir mal die Beine vertreten.“, meinte er und nahm seinen Kaffeebecher, „Ihr habt hier wohl etwas zu bereden.“ Als Dialyas Vater weg war, drehte sie sich zu mir. „Ich habe einen Pfeil abgewehrt, der wohl daraufhin in seine Richtung geflogen sein muss.“, schluchzte sie, „Ich bin schuld daran.“ „Nein.“, sagte ich, „Das ist doch nicht wahr.“ Ich versuchte sie aufzubauen, aber Dialya schüttelte ab. „Ich weiß, was ich tat, Felix.“ Ich legte meinen Kopf in den Nacken und starrte in die gleisenden Krankenhauslichter hoch. Mario würde das überleben, das haben sie uns schon gesagt. Wäre er aber einige Minuten später gekommen, dann wäre er verblutet. Ich hätte fast meinen besten Freund verloren. Tränen traten mir brennend in die Augen, welche ich sofort versuchte wegzublinzeln. Dialya lehnte ihren Kopf auf meine Schulter und war ziemlich schnell eingeschlafen. Sie war erschöpft, das verstand ich. Es trat ein betretenes Schweigen ein, welches andauerte, bis Dialyas Vater wieder zurückkam. Er setzte sich zuerst fünf Minuten genauso schweigend hin, bis er tief Luft holte. „Dein Vater war heute Nachmittag bei uns Daheim.“, sagte er schmunzelnd. Uns? Hat er mich da jetzt mit einbezogen? „Was wollte er?“, fragte ich unberührt. Mein Vater war mir mittlerweile so egal, ich konnte es gar nicht in Worte fassen. „Er hatte einen Anruf von der Schule bekommen, – ich übrigens auch, wegen unserem Problemfall – weil ihr abgehauen seid. Er wollte unbedingt wissen, wo ihr seid. Er hat geklingelt, ist hereingestürzt und hat Verwünschungen ausgerufen. Mich beleidigt, dass ich einen schlechten Einfluss auf Felix hätte, durch meine nichtsnutzigen Künstlereigenschaften, und Dialya beschimpft, dass sie gefälligst die Seele seines Sohnes in Ruhe lassen solle und so weiter. Ich denke, wir haben einen neuen besten Freund.“ John lachte amüsiert und riss mich mit. „Ich hasse ihn.“ „Ich nicht. Er ist ein guter Vater, denn er hat Recht. Wenn Dialya sich nicht in dich verliebt hätte, – übrigens Respekt, wie hast du das denn gemacht? – dann wäre deine Seele jetzt sonst wo. Dein Vater macht sich nur Sorgen um dich.“ „Und schlägt mich.“, flüsterte ich und wurde unendlich traurig. Dialya und ihr Vater hatten – wenn ihr Vater nicht gerade einen schlechten Tag hat – ein annehmbar gutes Verhältnis. Ich war irgendwie eifersüchtig. „Felix Kehr?“ Eine Krankenschwester kam auf uns zu. Ich meldete mich und sie gab mir die Hand. Vorsichtig weckte ich Dialya und stand dann auf. Sie rieb sich die Augen, was unglaublich süß aussah. Ich half ihr auf. „Ihr Freund ist aufgewacht. Er braucht noch etwas Ruhe, aber ich glaube ihr könnt zu ihm hinein. Aber nicht lange.“, erklärte die Krankenschwester und zeigte uns dann sein Zimmer. „Danke.“, murmelte ich und betrat mit Dialya und John Marios Zimmer. „Hey, Kumpel.“, begrüßte ich Mario. Er lächelte benommen und hob die Hand zum Gruß. „Depp. Was geht?“, sagte er. „Wie sieht’s aus?“, fragte Dialya und berührte sanft Marios Bandagen an seinem Arm. „Weiß ned. Bin grad erst aufgewacht. Die Deppen sagten, ich wär fast verreckt, Mann.“ „Tut mir leid.“ Dialya traten Tränen in die Augen. Ich hatte Mitleid mit ihr. Sie gab sich die Schuld an etwas, für das sie nichts konnte. „Du bist nicht schuld.“, flüsterte ich ihr ins Ohr und küsste ihre Schläfe. Ich umarmte sie von hinten und sie umfasste mit ihren Händen meinen Arm. „Was ist passiert?“, fragte John. Ach, stimmt ja. Wir haben ihm noch gar nichts erzählt. „Dharnia.“, sagte Dialya und es schien, als wäre schon alles erklärt, denn Johns Blick verhärtete sich. „Ist sie jetzt tot?“, fragt er mit einem Lächeln, „Endlich?“ Dialya nickte. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber ich wette sie lächelte. Wir redeten noch ein wenig mit Mario, erzählten, dass mein Vater fast durchdrehte und dann kam schon die Krankenschwester herein. Sie erinnerte uns daran, dass Mario unbedingt etwas Ruhe brauchte. Also verabschiedeten wir uns und versprachen, dass wir morgen nochmal vorbeikommen würden. Er riss ein paar Scherze und dann gingen wir. Mit Johns Auto fuhren wir dann Richtung Heim. „Zuhause essen wir erst mal was.“, lächelte John und sah in den Rückspiegel, „Das habt ihr euch verdient. Nebenbei erzählt ihr mir, was genau passiert ist.“ Dialya stimmte lächelnd zu und sah wieder etwas glücklicher aus. Zu Hause angekommen saßen Dialya und ich uns auf die Couch, während John in der offenen Küche stand und uns Vorschläge für ein Abendessen machte. „Ich hab‘ Bock auf Nudeln.“, sagte Dialya und spielte mit meinen Fingern. „Haben wir da. Pasta?“, fragte John woraufhin Dialya lächelnd nickte. Die beiden verstanden sich einfach so, ohne große Worte. Mich machte das neidisch. Dialya ergriff fest meine Hand und stand auf. „Wir warten unten.“, sagte sie. „Ist gut.“, murmelte ihr Vater. Dialya führte mich in ihr Zimmer und schloss die Tür, dann drehte sie den Schlüssel um. „Was hast du…“ Weiter kam ich nicht, denn Dialya fiel über mich her. Sie faltete ihre Hände ein meinem Nacken, während sie sanft in meine Lippen biss. „Ich liebe dich.“, flüstere sie, als sich unsere Lippen kurz trennten. Ihr Blick haftete sich auf meine Lippen und mir wurde unnatürlich heiß. Ich umfasste sanft ihr Gesicht und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Ich musste mich zurücknehmen, denn sonst würde ich hier etwas verlieren, für dessen Verlust ich noch nicht bereit war. Dialya küsste wieder meine Lippen und legte ihre Hände auf meine Brust, während ich meine Hände auf ihren Hüften ruhen ließ. Dialya ließ kurz von mir ab, nahm meine Hand und zog mich zum Bett. Sie setzte sich auf die Kante und schaute mich erwartungsvoll an. Ich beugte mich hinunter und küsste sie, während ich mich an ihren Schultern festhielt. Dialya packte meinen Kragen und legte sich zurück. Durch ihren Zug musste ich mich auf sie legen und mich mit meinen Ellbogen rechts und links abstützen. „Was willst du jetzt von mir?“, fragte ich sie und küsste ihre Lippen. Sie drückte mich mit zusammengepressten Lippen zur Seite und setzte sich auf. „Weiß ich nicht.“ Sie spielte nervös mit ihren Fingern und versuchte mich nicht anzublicken. „Ich liebe dich.“, sagte ich und streichelte ihre Schulter, „Werde ich immer tun.“ Dialya drehte sich um, mit Tränen in den Augen, dann aber fing sie an zu lächeln. „Das macht mich glücklich.“, flüsterte sie und kuschelte sich an mich. Ich legte meine Wange an ihren Kopf und starrte ihren Schreibtisch an. War ich vielleicht doch bereit? Doch bevor ich mir eine Antwort drauf geben konnte, rief John uns von oben zum Essen. Dialya rief zurück, dass wir sofort kommen würden und stellte sich vor mich, dann küsste sie sanft meine Lippen, bevor sie mir ihre Hand anbot, welche ich ergriff, und mich dann wieder nach oben führte. „Also.“, fing John an und stellte uns jeweils einen Teller Pasta vor die Nase, „Erstens: Ihr seid übrigens suspendiert. Für den Rest der Woche. Zweitens: Was genau ist passiert?“ „Warte, was?“, fragte ich, „Was meinen Sie denn mit suspendiert.“ „Das ist nicht wichtig. Es ist deswegen, weil ihr abgehauen seid Felix. Nächste Woche dürft ihr wieder in die Schule.“ „Ok.“ Ich ließ es dabei, obwohl ich schon ein wenig erschrocken war. Das würde für immer meine Akte besudeln. Dialya schien das nicht zu stören. Sie aß genüsslich ihre Nudeln. „Erzählt mir jetzt lieber, was passiert ist.“, meinte John dann. Dialya und ich erzählten es dann jeweils aus unserer Sicht. Dialya ließ aber die Sache aus, dass sie sich selbst die Schuld an Marios Verletzung gab. „Sie wollte dich umbringen?“, fragte Dialya mich, als ich an der Reihe war. Ich nickte. „Sie hat geglaubt, dass du Carter verletzt hättest.“ „Du meinst, ich bin schu…“ „Also Dharnia hat den Tod eindeutig verdient.“, quatschte John dazwischen, bevor Dialya sich auch noch dafür die Schuld gab, „Ich hasste dieses Weib. Soll sie in der Höhle braten.“ Er stopfte sich eine weitere Gabel Pasta in den Mund und sah uns lächelnd an, aber Dialya stocherte nur in ihrem Essen herum, was mir auch den Appetit verderbte. Ich wollte sie so nicht sehen, aber das musste ich wohl, denn unsere Probleme beinhalteten noch immer zwei Gesandte und ein Psentum. Und wenn ich Dialya glauben durfte, was ich wirklich sollte, dann würde es Woche um Woche schwerer werden. „Was macht ihr heute noch? Müsst ihr noch jemanden begraben gehen?“, fragt John witzelnd, aber es lockerte die Stimmung nicht wirklich. „Es war nicht deine Schuld.“, sagte ich. „Doch! Das war es verdammt!“, schrie Dialya und stand schwungvoll auf, wobei sie ihren Stuhl nach hinten umwarf. „Ich weiß, was ich tat, Felix. Während du meintest du müsstest mit deiner Ex turteln, habe ich nämlich gekämpft.“ „Also darum geht’s?“ „Nein!“ Dialya fegte ihren Teller vom Tisch und stampfte wütend davon. Ich knirschte mit den Zähnen und wollte die Scherben aufnehmen, doch John sagte mir, ich solle mich setzen. „Was hast du getan?“, fragte er. „Ich habe nichts getan.“, verteidigte ich mich, denn das habe ich auch. Ich habe doch nur Clara beschützt. „Du kennst ihr Temperament. Also sei ehrlich.“ „Ich habe mich auf Clara gestürzt und uns zu Boden gestoßen, weil sie sonst von einem Pfeil getroffen worden wäre.“, meinte ich ganz ruhig. Ich wusste nicht, wieso ich mich hier nun zu verteidigen hatte, denn ich hatte nichts Falsches gemacht. „Das hast du ihr auch gesagt?“, fragte John nach. Ich nickte. „Ich hab ihr auch versichert, dass nichts war.“ Daraufhin überlegte Dialyas Vater. „John. Ohne Scheiß. Ich habe nichts anderes getan.“ „Weißt du, dass ich Dialyas Mutter, Elaine, betrogen habe?“, fragte John auf einmal. „Nein.“ „Habe ich aber. Dialya weiß das. Sie ist sehr empfindlich in dieser Hinsicht. Vor allem, weil sie für dich ihr Leben ändert, da muss sie sich also hundertprozentig sicher sein. Kann sie sich das sein?“ „Ja, verdammt!“, rief ich, weil es stimmte. Ich würde Dialya so etwas nie antun. „Sag nicht mir das. Sag es ihr.“ Und da fiel mir wieder etwas ein. Etwas, das mich immer an Dialya denken ließ. Ich habe mich, sozusagen, wegen diesem Satz in sie verliebt. Er war der Anfang dieses Glücks. Sag du es mir…   Dialya Ich dachte nicht gerne darüber nach, denn es schmerzte. Auch wenn ich nicht die war, die er betrog, fühlte ich mich betrogen. Mein Dad hatte gerade das Studium absolviert, was uns alle freute. Ich war um die vier Jahre alt. Wir hatten ein riesen Festessen für Dad, Mutter und mich. Dann vergingen ein paar Wochen, in denen Dad sehr distanziert war. Eines Nachts weckten mich Geräusche, die von unten kamen. Ich tapste aus dem Bett und trottete dann die Treppen hinunter, um meinen Dad zu entdecken, der gerade zwei Koffer aus der Tür schob. Ich rannte zu ihm hin und stolperte direkt vor seinen Füßen. „Dialya.“ Er hob mich hoch und kniete sich zu mir herunter. Seine warmen Hände umschlossen mein Gesicht und er lächelte. „Dia.“, flüsterte er, „Geh ins Bett. Und sag Mom morgen, dass ich nicht mehr zurückkomme, ja?“ Ich verstand die Welt nicht mehr. „Daddy, wieso…“ „Dia. Sei ein großes Mädchen.“, mahnte mich mein Dad, dann stand er auf und packte die Kofferhenkel. „Kommst du John?“, fragte eine kleine Frau, die vor einem Auto wartete, „Wir müssen los.“ Mein Dad ging auf sie zu, küsste sie, packte die Koffer in den Kofferraum des Wagens und stieg dann ein. Ich rannte hinaus in die kalte Luft des Pariser Winters und klatschte mit meinen nackten Füßen auf den nassen Boden. „Daddy.“, schrie ich. Der Motor ging an. „Daddy!“ Ich rannte und rannte, dann war der Wagen weg und ich fiel auf die Schnauze. Ich kauerte zusammen und fing an zu heulen, ließ den ganzen Frust durch Tränen hinaus und hatte einen solchen Hass auf meinen Dad. „Am nächsten Morgen fand ich meine Mutter heulend am Küchentisch. Sie las mir den Abschiedsbrief meines Vaters vor und versank in Tränen, während ich die Welt wirklich nicht mehr verstand.“ Ich legte meinen Kopf auf Felix‘ Brust, welcher auf dem Rücken auf meinem Bett lag. „Aber wie… Dein Vater hat dich doch dein ganzes Leben begleitet, hast du gesagt. Und er sitzt dort oben.“, widersprach Felix und war sichtlich verwirrt. „Er ist zurückgekommen. Noch am gleichen Tag, weil er Zweifel bekam. Er hatte diese Frau schon im Studium kennengelernt, öfters mit ihr geschlafen und dann wollten sie durchbrennen. Nach England. Aber mein Dad hat wohl erkannt, wo sein Herz wirklich hingehört. Mutter hat ihm sofort verziehen, aber ich war sehr lange distanziert. Als meine Mutter dann starb, verbesserte es sich zwischen uns irgendwie wieder, obwohl er mir immer die Schuld an dem Unfall gab. Und jetzt, da ist irgendwie alles wieder gut.“, erklärte ich und schniefte. „Wow. Das… ist hart.“ Felix strich durch meine Haare und atmete aus. „Das würde ich dir nie antun, Dialya. Das weißt du.“ „Woher soll ich das wissen?“, murmelte ich zurück, denn ich wusste nicht, warum ich mir da so sicher sein sollte, wie er sagte. „Ich bin christlich erzogen worden. Wenn ich an etwas glaube, dann an die Monogamie.“ Ich drehte mich auf den Bauch und starrte Felix an. „Monogamie.“, wiederholte ich, „Warum sollte mich das überzeugen?“ „Dann machen wir es anders.“, sagte Felix und lehnte sich zu mir. Er küsste mich. „Ich liebe dich.“, sagte er, „Das habe ich

POst #8

Ich hasste den Krankenhausgeruch, aber für Mario blieb ich gern hier. Dialya saß mit angewinkelten Knien am Boden und sah mit leerem Blick in irgendeine Richtung. Ich setzte mich zu ihr, als ich lange genug hin und her gewandert war. „Ich habe Clara nur beschützt.“, sagte ich, weil ich an Dialyas eifersüchtigen Blick denken musste. „Weiß ich.“, flüsterte sie, „Trotzdem.“ Sie war schon die ganze Zeit sehr kurz angebunden. Sie sprach mit so wenig Worten wie möglich und schien so abwesend. Ich machte mir Sorgen. „Was hast du denn?“, fragte ich und nahm ihre Hand. Sie umschloss meine so fest wie sie konnte. „Es musste ein…“, fing Dialya an, doch ihr Vater kam gerade in diesem Moment. „Ich hab hier etwas zu knabbern für euch, Kinder.“, sagte ihr Vater. „Danke, John.“, sagte ich und nahm die Erdnüsse an. Dialya wandte ihren Blick ab. „Ich hab noch was vergessen.“, sagte ich und drehte ihr Gesicht zu mir, „Danke, dass du uns gerettet hast.“ Ich drückte meine Lippen sanft auf ihre und konnte für einen kurzen Moment Dialyas Lächeln spüren, aber es verschwand so schnell wie es kam. Nach dem Kuss sah sie wieder abwesend weg. John stand auf. „Ich geh mir mal die Beine vertreten.“, meinte er und nahm seinen Kaffeebecher, „Ihr habt hier wohl etwas zu bereden.“ Als Dialyas Vater weg war, drehte sie sich zu mir. „Ich habe einen Pfeil abgewehrt, der wohl daraufhin in seine Richtung geflogen sein muss.“, schluchzte sie, „Ich bin schuld daran.“ „Nein.“, sagte ich, „Das ist doch nicht wahr.“ Ich versuchte sie aufzubauen, aber Dialya schüttelte ab. „Ich weiß, was ich tat, Felix.“ Ich legte meinen Kopf in den Nacken und starrte in die gleisenden Krankenhauslichter hoch. Mario würde das überleben, das haben sie uns schon gesagt. Wäre er aber einige Minuten später gekommen, dann wäre er verblutet. Ich hätte fast meinen besten Freund verloren. Tränen traten mir brennend in die Augen, welche ich sofort versuchte wegzublinzeln. Dialya lehnte ihren Kopf auf meine Schulter und war ziemlich schnell eingeschlafen. Sie war erschöpft, das verstand ich. Es trat ein betretenes Schweigen ein, welches andauerte, bis Dialyas Vater wieder zurückkam. Er setzte sich zuerst fünf Minuten genauso schweigend hin, bis er tief Luft holte. „Dein Vater war heute Nachmittag bei uns Daheim.“, sagte er schmunzelnd. Uns? Hat er mich da jetzt mit einbezogen? „Was wollte er?“, fragte ich unberührt. Mein Vater war mir mittlerweile so egal, ich konnte es gar nicht in Worte fassen. „Er hatte einen Anruf von der Schule bekommen, – ich übrigens auch, wegen unserem Problemfall – weil ihr abgehauen seid. Er wollte unbedingt wissen, wo ihr seid. Er hat geklingelt, ist hereingestürzt und hat Verwünschungen ausgerufen. Mich beleidigt, dass ich einen schlechten Einfluss auf Felix hätte, durch meine nichtsnutzigen Künstlereigenschaften, und Dialya beschimpft, dass sie gefälligst die Seele seines Sohnes in Ruhe lassen solle und so weiter. Ich denke, wir haben einen neuen besten Freund.“ John lachte amüsiert und riss mich mit. „Ich hasse ihn.“ „Ich nicht. Er ist ein guter Vater, denn er hat Recht. Wenn Dialya sich nicht in dich verliebt hätte, – übrigens Respekt, wie hast du das denn gemacht? – dann wäre deine Seele jetzt sonst wo. Dein Vater macht sich nur Sorgen um dich.“ „Und schlägt mich.“, flüsterte ich und wurde unendlich traurig. Dialya und ihr Vater hatten – wenn ihr Vater nicht gerade einen schlechten Tag hat – ein annehmbar gutes Verhältnis. Ich war irgendwie eifersüchtig. „Felix Kehr?“ Eine Krankenschwester kam auf uns zu. Ich meldete mich und sie gab mir die Hand. Vorsichtig weckte ich Dialya und stand dann auf. Sie rieb sich die Augen, was unglaublich süß aussah. Ich half ihr auf. „Ihr Freund ist aufgewacht. Er braucht noch etwas Ruhe, aber ich glaube ihr könnt zu ihm hinein. Aber nicht lange.“, erklärte die Krankenschwester und zeigte uns dann sein Zimmer. „Danke.“, murmelte ich und betrat mit Dialya und John Marios Zimmer. „Hey, Kumpel.“, begrüßte ich Mario. Er lächelte benommen und hob die Hand zum Gruß. „Depp. Was geht?“, sagte er. „Wie sieht’s aus?“, fragte Dialya und berührte sanft Marios Bandagen an seinem Arm. „Weiß ned. Bin grad erst aufgewacht. Die Deppen sagten, ich wär fast verreckt, Mann.“ „Tut mir leid.“ Dialya traten Tränen in die Augen. Ich hatte Mitleid mit ihr. Sie gab sich die Schuld an etwas, für das sie nichts konnte. „Du bist nicht schuld.“, flüsterte ich ihr ins Ohr und küsste ihre Schläfe. Ich umarmte sie von hinten und sie umfasste mit ihren Händen meinen Arm. „Was ist passiert?“, fragte John. Ach, stimmt ja. Wir haben ihm noch gar nichts erzählt. „Dharnia.“, sagte Dialya und es schien, als wäre schon alles erklärt, denn Johns Blick verhärtete sich. „Ist sie jetzt tot?“, fragt er mit einem Lächeln, „Endlich?“ Dialya nickte. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber ich wette sie lächelte. Wir redeten noch ein wenig mit Mario, erzählten, dass mein Vater fast durchdrehte und dann kam schon die Krankenschwester herein. Sie erinnerte uns daran, dass Mario unbedingt etwas Ruhe brauchte. Also verabschiedeten wir uns und versprachen, dass wir morgen nochmal vorbeikommen würden. Er riss ein paar Scherze und dann gingen wir. Mit Johns Auto fuhren wir dann Richtung Heim. „Zuhause essen wir erst mal was.“, lächelte John und sah in den Rückspiegel, „Das habt ihr euch verdient. Nebenbei erzählt ihr mir, was genau passiert ist.“ Dialya stimmte lächelnd zu und sah wieder etwas glücklicher aus. Zu Hause angekommen saßen Dialya und ich uns auf die Couch, während John in der offenen Küche stand und uns Vorschläge für ein Abendessen machte. „Ich hab‘ Bock auf Nudeln.“, sagte Dialya und spielte mit meinen Fingern. „Haben wir da. Pasta?“, fragte John woraufhin Dialya lächelnd nickte. Die beiden verstanden sich einfach so, ohne große Worte. Mich machte das neidisch. Dialya ergriff fest meine Hand und stand auf. „Wir warten unten.“, sagte sie. „Ist gut.“, murmelte ihr Vater. Dialya führte mich in ihr Zimmer und schloss die Tür, dann drehte sie den Schlüssel um. „Was hast du…“ Weiter kam ich nicht, denn Dialya fiel über mich her. Sie faltete ihre Hände ein meinem Nacken, während sie sanft in meine Lippen biss. „Ich liebe dich.“, flüstere sie, als sich unsere Lippen kurz trennten. Ihr Blick haftete sich auf meine Lippen und mir wurde unnatürlich heiß. Ich umfasste sanft ihr Gesicht und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Ich musste mich zurücknehmen, denn sonst würde ich hier etwas verlieren, für dessen Verlust ich noch nicht bereit war. Dialya küsste wieder meine Lippen und legte ihre Hände auf meine Brust, während ich meine Hände auf ihren Hüften ruhen ließ. Dialya ließ kurz von mir ab, nahm meine Hand und zog mich zum Bett. Sie setzte sich auf die Kante und schaute mich erwartungsvoll an. Ich beugte mich hinunter und küsste sie, während ich mich an ihren Schultern festhielt. Dialya packte meinen Kragen und legte sich zurück. Durch ihren Zug musste ich mich auf sie legen und mich mit meinen Ellbogen rechts und links abstützen. „Was willst du jetzt von mir?“, fragte ich sie und küsste ihre Lippen. Sie drückte mich mit zusammengepressten Lippen zur Seite und setzte sich auf. „Weiß ich nicht.“ Sie spielte nervös mit ihren Fingern und versuchte mich nicht anzublicken. „Ich liebe dich.“, sagte ich und streichelte ihre Schulter, „Werde ich immer tun.“ Dialya drehte sich um, mit Tränen in den Augen, dann aber fing sie an zu lächeln. „Das macht mich glücklich.“, flüsterte sie und kuschelte sich an mich. Ich legte meine Wange an ihren Kopf und starrte ihren Schreibtisch an. War ich vielleicht doch bereit? Doch bevor ich mir eine Antwort drauf geben konnte, rief John uns von oben zum Essen. Dialya rief zurück, dass wir sofort kommen würden und stellte sich vor mich, dann küsste sie sanft meine Lippen, bevor sie mir ihre Hand anbot, welche ich ergriff, und mich dann wieder nach oben führte. „Also.“, fing John an und stellte uns jeweils einen Teller Pasta vor die Nase, „Erstens: Ihr seid übrigens suspendiert. Für den Rest der Woche. Zweitens: Was genau ist passiert?“ „Warte, was?“, fragte ich, „Was meinen Sie denn mit suspendiert.“ „Das ist nicht wichtig. Es ist deswegen, weil ihr abgehauen seid Felix. Nächste Woche dürft ihr wieder in die Schule.“ „Ok.“ Ich ließ es dabei, obwohl ich schon ein wenig erschrocken war. Das würde für immer meine Akte besudeln. Dialya schien das nicht zu stören. Sie aß genüsslich ihre Nudeln. „Erzählt mir jetzt lieber, was passiert ist.“, meinte John dann. Dialya und ich erzählten es dann jeweils aus unserer Sicht. Dialya ließ aber die Sache aus, dass sie sich selbst die Schuld an Marios Verletzung gab. „Sie wollte dich umbringen?“, fragte Dialya mich, als ich an der Reihe war. Ich nickte. „Sie hat geglaubt, dass du Carter verletzt hättest.“ „Du meinst, ich bin schu…“ „Also Dharnia hat den Tod eindeutig verdient.“, quatschte John dazwischen, bevor Dialya sich auch noch dafür die Schuld gab, „Ich hasste dieses Weib. Soll sie in der Höhle braten.“ Er stopfte sich eine weitere Gabel Pasta in den Mund und sah uns lächelnd an, aber Dialya stocherte nur in ihrem Essen herum, was mir auch den Appetit verderbte. Ich wollte sie so nicht sehen, aber das musste ich wohl, denn unsere Probleme beinhalteten noch immer zwei Gesandte und ein Psentum. Und wenn ich Dialya glauben durfte, was ich wirklich sollte, dann würde es Woche um Woche schwerer werden. „Was macht ihr heute noch? Müsst ihr noch jemanden begraben gehen?“, fragt John witzelnd, aber es lockerte die Stimmung nicht wirklich. „Es war nicht deine Schuld.“, sagte ich. „Doch! Das war es verdammt!“, schrie Dialya und stand schwungvoll auf, wobei sie ihren Stuhl nach hinten umwarf. „Ich weiß, was ich tat, Felix. Während du meintest du müsstest mit deiner Ex turteln, habe ich nämlich gekämpft.“ „Also darum geht’s?“ „Nein!“ Dialya fegte ihren Teller vom Tisch und stampfte wütend davon. Ich knirschte mit den Zähnen und wollte die Scherben aufnehmen, doch John sagte mir, ich solle mich setzen. „Was hast du getan?“, fragte er. „Ich habe nichts getan.“, verteidigte ich mich, denn das habe ich auch. Ich habe doch nur Clara beschützt. „Du kennst ihr Temperament. Also sei ehrlich.“ „Ich habe mich auf Clara gestürzt und uns zu Boden gestoßen, weil sie sonst von einem Pfeil getroffen worden wäre.“, meinte ich ganz ruhig. Ich wusste nicht, wieso ich mich hier nun zu verteidigen hatte, denn ich hatte nichts Falsches gemacht. „Das hast du ihr auch gesagt?“, fragte John nach. Ich nickte. „Ich hab ihr auch versichert, dass nichts war.“ Daraufhin überlegte Dialyas Vater. „John. Ohne Scheiß. Ich habe nichts anderes getan.“ „Weißt du, dass ich Dialyas Mutter, Elaine, betrogen habe?“, fragte John auf einmal. „Nein.“ „Habe ich aber. Dialya weiß das. Sie ist sehr empfindlich in dieser Hinsicht. Vor allem, weil sie für dich ihr Leben ändert, da muss sie sich also hundertprozentig sicher sein. Kann sie sich das sein?“ „Ja, verdammt!“, rief ich, weil es stimmte. Ich würde Dialya so etwas nie antun. „Sag nicht mir das. Sag es ihr.“ Und da fiel mir wieder etwas ein. Etwas, das mich immer an Dialya denken ließ. Ich habe mich, sozusagen, wegen diesem Satz in sie verliebt. Er war der Anfang dieses Glücks. Sag du es mir…   Dialya Ich dachte nicht gerne darüber nach, denn es schmerzte. Auch wenn ich nicht die war, die er betrog, fühlte ich mich betrogen. Mein Dad hatte gerade das Studium absolviert, was uns alle freute. Ich war um die vier Jahre alt. Wir hatten ein riesen Festessen für Dad, Mutter und mich. Dann vergingen ein paar Wochen, in denen Dad sehr distanziert war. Eines Nachts weckten mich Geräusche, die von unten kamen. Ich tapste aus dem Bett und trottete dann die Treppen hinunter, um meinen Dad zu entdecken, der gerade zwei Koffer aus der Tür schob. Ich rannte zu ihm hin und stolperte direkt vor seinen Füßen. „Dialya.“ Er hob mich hoch und kniete sich zu mir herunter. Seine warmen Hände umschlossen mein Gesicht und er lächelte. „Dia.“, flüsterte er, „Geh ins Bett. Und sag Mom morgen, dass ich nicht mehr zurückkomme, ja?“ Ich verstand die Welt nicht mehr. „Daddy, wieso…“ „Dia. Sei ein großes Mädchen.“, mahnte mich mein Dad, dann stand er auf und packte die Kofferhenkel. „Kommst du John?“, fragte eine kleine Frau, die vor einem Auto wartete, „Wir müssen los.“ Mein Dad ging auf sie zu, küsste sie, packte die Koffer in den Kofferraum des Wagens und stieg dann ein. Ich rannte hinaus in die kalte Luft des Pariser Winters und klatschte mit meinen nackten Füßen auf den nassen Boden. „Daddy.“, schrie ich. Der Motor ging an. „Daddy!“ Ich rannte und rannte, dann war der Wagen weg und ich fiel auf die Schnauze. Ich kauerte zusammen und fing an zu heulen, ließ den ganzen Frust durch Tränen hinaus und hatte einen solchen Hass auf meinen Dad. „Am nächsten Morgen fand ich meine Mutter heulend am Küchentisch. Sie las mir den Abschiedsbrief meines Vaters vor und versank in Tränen, während ich die Welt wirklich nicht mehr verstand.“ Ich legte meinen Kopf auf Felix‘ Brust, welcher auf dem Rücken auf meinem Bett lag. „Aber wie… Dein Vater hat dich doch dein ganzes Leben begleitet, hast du gesagt. Und er sitzt dort oben.“, widersprach Felix und war sichtlich verwirrt. „Er ist zurückgekommen. Noch am gleichen Tag, weil er Zweifel bekam. Er hatte diese Frau schon im Studium kennengelernt, öfters mit ihr geschlafen und dann wollten sie durchbrennen. Nach England. Aber mein Dad hat wohl erkannt, wo sein Herz wirklich hingehört. Mutter hat ihm sofort verziehen, aber ich war sehr lange distanziert. Als meine Mutter dann starb, verbesserte es sich zwischen uns irgendwie wieder, obwohl er mir immer die Schuld an dem Unfall gab. Und jetzt, da ist irgendwie alles wieder gut.“, erklärte ich und schniefte. „Wow. Das… ist hart.“ Felix strich durch meine Haare und atmete aus. „Das würde ich dir nie antun, Dialya. Das weißt du.“ „Woher soll ich das wissen?“, murmelte ich zurück, denn ich wusste nicht, warum ich mir da so sicher sein sollte, wie er sagte. „Ich bin christlich erzogen worden. Wenn ich an etwas glaube, dann an die Monogamie.“ Ich drehte mich auf den Bauch und starrte Felix an. „Monogamie.“, wiederholte ich, „Warum sollte mich das überzeugen?“ „Dann machen wir es anders.“, sagte Felix und lehnte sich zu mir. Er küsste mich. „Ich liebe dich.“, sagte er, „Das habe ich

POst #6

Ich hasste den Krankenhausgeruch, aber für Mario blieb ich gern hier. Dialya saß mit angewinkelten Knien am Boden und sah mit leerem Blick in irgendeine Richtung. Ich setzte mich zu ihr, als ich lange genug hin und her gewandert war. „Ich habe Clara nur beschützt.“, sagte ich, weil ich an Dialyas eifersüchtigen Blick denken musste. „Weiß ich.“, flüsterte sie, „Trotzdem.“ Sie war schon die ganze Zeit sehr kurz angebunden. Sie sprach mit so wenig Worten wie möglich und schien so abwesend. Ich machte mir Sorgen. „Was hast du denn?“, fragte ich und nahm ihre Hand. Sie umschloss meine so fest wie sie konnte. „Es musste ein…“, fing Dialya an, doch ihr Vater kam gerade in diesem Moment. „Ich hab hier etwas zu knabbern für euch, Kinder.“, sagte ihr Vater. „Danke, John.“, sagte ich und nahm die Erdnüsse an. Dialya wandte ihren Blick ab. „Ich hab noch was vergessen.“, sagte ich und drehte ihr Gesicht zu mir, „Danke, dass du uns gerettet hast.“ Ich drückte meine Lippen sanft auf ihre und konnte für einen kurzen Moment Dialyas Lächeln spüren, aber es verschwand so schnell wie es kam. Nach dem Kuss sah sie wieder abwesend weg. John stand auf. „Ich geh mir mal die Beine vertreten.“, meinte er und nahm seinen Kaffeebecher, „Ihr habt hier wohl etwas zu bereden.“ Als Dialyas Vater weg war, drehte sie sich zu mir. „Ich habe einen Pfeil abgewehrt, der wohl daraufhin in seine Richtung geflogen sein muss.“, schluchzte sie, „Ich bin schuld daran.“ „Nein.“, sagte ich, „Das ist doch nicht wahr.“ Ich versuchte sie aufzubauen, aber Dialya schüttelte ab. „Ich weiß, was ich tat, Felix.“ Ich legte meinen Kopf in den Nacken und starrte in die gleisenden Krankenhauslichter hoch. Mario würde das überleben, das haben sie uns schon gesagt. Wäre er aber einige Minuten später gekommen, dann wäre er verblutet. Ich hätte fast meinen besten Freund verloren. Tränen traten mir brennend in die Augen, welche ich sofort versuchte wegzublinzeln. Dialya lehnte ihren Kopf auf meine Schulter und war ziemlich schnell eingeschlafen. Sie war erschöpft, das verstand ich. Es trat ein betretenes Schweigen ein, welches andauerte, bis Dialyas Vater wieder zurückkam. Er setzte sich zuerst fünf Minuten genauso schweigend hin, bis er tief Luft holte. „Dein Vater war heute Nachmittag bei uns Daheim.“, sagte er schmunzelnd. Uns? Hat er mich da jetzt mit einbezogen? „Was wollte er?“, fragte ich unberührt. Mein Vater war mir mittlerweile so egal, ich konnte es gar nicht in Worte fassen. „Er hatte einen Anruf von der Schule bekommen, – ich übrigens auch, wegen unserem Problemfall – weil ihr abgehauen seid. Er wollte unbedingt wissen, wo ihr seid. Er hat geklingelt, ist hereingestürzt und hat Verwünschungen ausgerufen. Mich beleidigt, dass ich einen schlechten Einfluss auf Felix hätte, durch meine nichtsnutzigen Künstlereigenschaften, und Dialya beschimpft, dass sie gefälligst die Seele seines Sohnes in Ruhe lassen solle und so weiter. Ich denke, wir haben einen neuen besten Freund.“ John lachte amüsiert und riss mich mit. „Ich hasse ihn.“ „Ich nicht. Er ist ein guter Vater, denn er hat Recht. Wenn Dialya sich nicht in dich verliebt hätte, – übrigens Respekt, wie hast du das denn gemacht? – dann wäre deine Seele jetzt sonst wo. Dein Vater macht sich nur Sorgen um dich.“ „Und schlägt mich.“, flüsterte ich und wurde unendlich traurig. Dialya und ihr Vater hatten – wenn ihr Vater nicht gerade einen schlechten Tag hat – ein annehmbar gutes Verhältnis. Ich war irgendwie eifersüchtig. „Felix Kehr?“ Eine Krankenschwester kam auf uns zu. Ich meldete mich und sie gab mir die Hand. Vorsichtig weckte ich Dialya und stand dann auf. Sie rieb sich die Augen, was unglaublich süß aussah. Ich half ihr auf. „Ihr Freund ist aufgewacht. Er braucht noch etwas Ruhe, aber ich glaube ihr könnt zu ihm hinein. Aber nicht lange.“, erklärte die Krankenschwester und zeigte uns dann sein Zimmer. „Danke.“, murmelte ich und betrat mit Dialya und John Marios Zimmer. „Hey, Kumpel.“, begrüßte ich Mario. Er lächelte benommen und hob die Hand zum Gruß. „Depp. Was geht?“, sagte er. „Wie sieht’s aus?“, fragte Dialya und berührte sanft Marios Bandagen an seinem Arm. „Weiß ned. Bin grad erst aufgewacht. Die Deppen sagten, ich wär fast verreckt, Mann.“ „Tut mir leid.“ Dialya traten Tränen in die Augen. Ich hatte Mitleid mit ihr. Sie gab sich die Schuld an etwas, für das sie nichts konnte. „Du bist nicht schuld.“, flüsterte ich ihr ins Ohr und küsste ihre Schläfe. Ich umarmte sie von hinten und sie umfasste mit ihren Händen meinen Arm. „Was ist passiert?“, fragte John. Ach, stimmt ja. Wir haben ihm noch gar nichts erzählt. „Dharnia.“, sagte Dialya und es schien, als wäre schon alles erklärt, denn Johns Blick verhärtete sich. „Ist sie jetzt tot?“, fragt er mit einem Lächeln, „Endlich?“ Dialya nickte. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber ich wette sie lächelte. Wir redeten noch ein wenig mit Mario, erzählten, dass mein Vater fast durchdrehte und dann kam schon die Krankenschwester herein. Sie erinnerte uns daran, dass Mario unbedingt etwas Ruhe brauchte. Also verabschiedeten wir uns und versprachen, dass wir morgen nochmal vorbeikommen würden. Er riss ein paar Scherze und dann gingen wir. Mit Johns Auto fuhren wir dann Richtung Heim. „Zuhause essen wir erst mal was.“, lächelte John und sah in den Rückspiegel, „Das habt ihr euch verdient. Nebenbei erzählt ihr mir, was genau passiert ist.“ Dialya stimmte lächelnd zu und sah wieder etwas glücklicher aus. Zu Hause angekommen saßen Dialya und ich uns auf die Couch, während John in der offenen Küche stand und uns Vorschläge für ein Abendessen machte. „Ich hab‘ Bock auf Nudeln.“, sagte Dialya und spielte mit meinen Fingern. „Haben wir da. Pasta?“, fragte John woraufhin Dialya lächelnd nickte. Die beiden verstanden sich einfach so, ohne große Worte. Mich machte das neidisch. Dialya ergriff fest meine Hand und stand auf. „Wir warten unten.“, sagte sie. „Ist gut.“, murmelte ihr Vater. Dialya führte mich in ihr Zimmer und schloss die Tür, dann drehte sie den Schlüssel um. „Was hast du…“ Weiter kam ich nicht, denn Dialya fiel über mich her. Sie faltete ihre Hände ein meinem Nacken, während sie sanft in meine Lippen biss. „Ich liebe dich.“, flüstere sie, als sich unsere Lippen kurz trennten. Ihr Blick haftete sich auf meine Lippen und mir wurde unnatürlich heiß. Ich umfasste sanft ihr Gesicht und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Ich musste mich zurücknehmen, denn sonst würde ich hier etwas verlieren, für dessen Verlust ich noch nicht bereit war. Dialya küsste wieder meine Lippen und legte ihre Hände auf meine Brust, während ich meine Hände auf ihren Hüften ruhen ließ. Dialya ließ kurz von mir ab, nahm meine Hand und zog mich zum Bett. Sie setzte sich auf die Kante und schaute mich erwartungsvoll an. Ich beugte mich hinunter und küsste sie, während ich mich an ihren Schultern festhielt. Dialya packte meinen Kragen und legte sich zurück. Durch ihren Zug musste ich mich auf sie legen und mich mit meinen Ellbogen rechts und links abstützen. „Was willst du jetzt von mir?“, fragte ich sie und küsste ihre Lippen. Sie drückte mich mit zusammengepressten Lippen zur Seite und setzte sich auf. „Weiß ich nicht.“ Sie spielte nervös mit ihren Fingern und versuchte mich nicht anzublicken. „Ich liebe dich.“, sagte ich und streichelte ihre Schulter, „Werde ich immer tun.“ Dialya drehte sich um, mit Tränen in den Augen, dann aber fing sie an zu lächeln. „Das macht mich glücklich.“, flüsterte sie und kuschelte sich an mich. Ich legte meine Wange an ihren Kopf und starrte ihren Schreibtisch an. War ich vielleicht doch bereit? Doch bevor ich mir eine Antwort drauf geben konnte, rief John uns von oben zum Essen. Dialya rief zurück, dass wir sofort kommen würden und stellte sich vor mich, dann küsste sie sanft meine Lippen, bevor sie mir ihre Hand anbot, welche ich ergriff, und mich dann wieder nach oben führte. „Also.“, fing John an und stellte uns jeweils einen Teller Pasta vor die Nase, „Erstens: Ihr seid übrigens suspendiert. Für den Rest der Woche. Zweitens: Was genau ist passiert?“ „Warte, was?“, fragte ich, „Was meinen Sie denn mit suspendiert.“ „Das ist nicht wichtig. Es ist deswegen, weil ihr abgehauen seid Felix. Nächste Woche dürft ihr wieder in die Schule.“ „Ok.“ Ich ließ es dabei, obwohl ich schon ein wenig erschrocken war. Das würde für immer meine Akte besudeln. Dialya schien das nicht zu stören. Sie aß genüsslich ihre Nudeln. „Erzählt mir jetzt lieber, was passiert ist.“, meinte John dann. Dialya und ich erzählten es dann jeweils aus unserer Sicht. Dialya ließ aber die Sache aus, dass sie sich selbst die Schuld an Marios Verletzung gab. „Sie wollte dich umbringen?“, fragte Dialya mich, als ich an der Reihe war. Ich nickte. „Sie hat geglaubt, dass du Carter verletzt hättest.“ „Du meinst, ich bin schu…“ „Also Dharnia hat den Tod eindeutig verdient.“, quatschte John dazwischen, bevor Dialya sich auch noch dafür die Schuld gab, „Ich hasste dieses Weib. Soll sie in der Höhle braten.“ Er stopfte sich eine weitere Gabel Pasta in den Mund und sah uns lächelnd an, aber Dialya stocherte nur in ihrem Essen herum, was mir auch den Appetit verderbte. Ich wollte sie so nicht sehen, aber das musste ich wohl, denn unsere Probleme beinhalteten noch immer zwei Gesandte und ein Psentum. Und wenn ich Dialya glauben durfte, was ich wirklich sollte, dann würde es Woche um Woche schwerer werden. „Was macht ihr heute noch? Müsst ihr noch jemanden begraben gehen?“, fragt John witzelnd, aber es lockerte die Stimmung nicht wirklich. „Es war nicht deine Schuld.“, sagte ich. „Doch! Das war es verdammt!“, schrie Dialya und stand schwungvoll auf, wobei sie ihren Stuhl nach hinten umwarf. „Ich weiß, was ich tat, Felix. Während du meintest du müsstest mit deiner Ex turteln, habe ich nämlich gekämpft.“ „Also darum geht’s?“ „Nein!“ Dialya fegte ihren Teller vom Tisch und stampfte wütend davon. Ich knirschte mit den Zähnen und wollte die Scherben aufnehmen, doch John sagte mir, ich solle mich setzen. „Was hast du getan?“, fragte er. „Ich habe nichts getan.“, verteidigte ich mich, denn das habe ich auch. Ich habe doch nur Clara beschützt. „Du kennst ihr Temperament. Also sei ehrlich.“ „Ich habe mich auf Clara gestürzt und uns zu Boden gestoßen, weil sie sonst von einem Pfeil getroffen worden wäre.“, meinte ich ganz ruhig. Ich wusste nicht, wieso ich mich hier nun zu verteidigen hatte, denn ich hatte nichts Falsches gemacht. „Das hast du ihr auch gesagt?“, fragte John nach. Ich nickte. „Ich hab ihr auch versichert, dass nichts war.“ Daraufhin überlegte Dialyas Vater. „John. Ohne Scheiß. Ich habe nichts anderes getan.“ „Weißt du, dass ich Dialyas Mutter, Elaine, betrogen habe?“, fragte John auf einmal. „Nein.“ „Habe ich aber. Dialya weiß das. Sie ist sehr empfindlich in dieser Hinsicht. Vor allem, weil sie für dich ihr Leben ändert, da muss sie sich also hundertprozentig sicher sein. Kann sie sich das sein?“ „Ja, verdammt!“, rief ich, weil es stimmte. Ich würde Dialya so etwas nie antun. „Sag nicht mir das. Sag es ihr.“ Und da fiel mir wieder etwas ein. Etwas, das mich immer an Dialya denken ließ. Ich habe mich, sozusagen, wegen diesem Satz in sie verliebt. Er war der Anfang dieses Glücks. Sag du es mir…   Dialya Ich dachte nicht gerne darüber nach, denn es schmerzte. Auch wenn ich nicht die war, die er betrog, fühlte ich mich betrogen. Mein Dad hatte gerade das Studium absolviert, was uns alle freute. Ich war um die vier Jahre alt. Wir hatten ein riesen Festessen für Dad, Mutter und mich. Dann vergingen ein paar Wochen, in denen Dad sehr distanziert war. Eines Nachts weckten mich Geräusche, die von unten kamen. Ich tapste aus dem Bett und trottete dann die Treppen hinunter, um meinen Dad zu entdecken, der gerade zwei Koffer aus der Tür schob. Ich rannte zu ihm hin und stolperte direkt vor seinen Füßen. „Dialya.“ Er hob mich hoch und kniete sich zu mir herunter. Seine warmen Hände umschlossen mein Gesicht und er lächelte. „Dia.“, flüsterte er, „Geh ins Bett. Und sag Mom morgen, dass ich nicht mehr zurückkomme, ja?“ Ich verstand die Welt nicht mehr. „Daddy, wieso…“ „Dia. Sei ein großes Mädchen.“, mahnte mich mein Dad, dann stand er auf und packte die Kofferhenkel. „Kommst du John?“, fragte eine kleine Frau, die vor einem Auto wartete, „Wir müssen los.“ Mein Dad ging auf sie zu, küsste sie, packte die Koffer in den Kofferraum des Wagens und stieg dann ein. Ich rannte hinaus in die kalte Luft des Pariser Winters und klatschte mit meinen nackten Füßen auf den nassen Boden. „Daddy.“, schrie ich. Der Motor ging an. „Daddy!“ Ich rannte und rannte, dann war der Wagen weg und ich fiel auf die Schnauze. Ich kauerte zusammen und fing an zu heulen, ließ den ganzen Frust durch Tränen hinaus und hatte einen solchen Hass auf meinen Dad. „Am nächsten Morgen fand ich meine Mutter heulend am Küchentisch. Sie las mir den Abschiedsbrief meines Vaters vor und versank in Tränen, während ich die Welt wirklich nicht mehr verstand.“ Ich legte meinen Kopf auf Felix‘ Brust, welcher auf dem Rücken auf meinem Bett lag. „Aber wie… Dein Vater hat dich doch dein ganzes Leben begleitet, hast du gesagt. Und er sitzt dort oben.“, widersprach Felix und war sichtlich verwirrt. „Er ist zurückgekommen. Noch am gleichen Tag, weil er Zweifel bekam. Er hatte diese Frau schon im Studium kennengelernt, öfters mit ihr geschlafen und dann wollten sie durchbrennen. Nach England. Aber mein Dad hat wohl erkannt, wo sein Herz wirklich hingehört. Mutter hat ihm sofort verziehen, aber ich war sehr lange distanziert. Als meine Mutter dann starb, verbesserte es sich zwischen uns irgendwie wieder, obwohl er mir immer die Schuld an dem Unfall gab. Und jetzt, da ist irgendwie alles wieder gut.“, erklärte ich und schniefte. „Wow. Das… ist hart.“ Felix strich durch meine Haare und atmete aus. „Das würde ich dir nie antun, Dialya. Das weißt du.“ „Woher soll ich das wissen?“, murmelte ich zurück, denn ich wusste nicht, warum ich mir da so sicher sein sollte, wie er sagte. „Ich bin christlich erzogen worden. Wenn ich an etwas glaube, dann an die Monogamie.“ Ich drehte mich auf den Bauch und starrte Felix an. „Monogamie.“, wiederholte ich, „Warum sollte mich das überzeugen?“ „Dann machen wir es anders.“, sagte Felix und lehnte sich zu mir. Er küsste mich. „Ich liebe dich.“, sagte er, „Das habe ich

POst #7

Ich hasste den Krankenhausgeruch, aber für Mario blieb ich gern hier. Dialya saß mit angewinkelten Knien am Boden und sah mit leerem Blick in irgendeine Richtung. Ich setzte mich zu ihr, als ich lange genug hin und her gewandert war.
   

   
      „Ich habe Clara nur beschützt.“, sagte ich, weil ich an Dialyas eifersüchtigen Blick denken musste.
   

   
      „Weiß ich.“, flüsterte sie, „Trotzdem.“
   

   
      Sie war schon die ganze Zeit sehr kurz angebunden. Sie sprach mit so wenig Worten wie möglich und schien so abwesend. Ich machte mir Sorgen.
   

   
      „Was hast du denn?“, fragte ich und nahm ihre Hand. Sie umschloss meine so fest wie sie konnte.
   

   
      „Es musste ein…“, fing Dialya an, doch ihr Vater kam gerade in diesem Moment.
   

   
      „Ich hab hier etwas zu knabbern für euch, Kinder.“, sagte ihr Vater.
   

   
      „Danke, John.“, sagte ich und nahm die Erdnüsse an. Dialya wandte ihren Blick ab.
   

   
      „Ich hab noch was vergessen.“, sagte ich und drehte ihr Gesicht zu mir, „Danke, dass du uns gerettet hast.“
   

   
      Ich drückte meine Lippen sanft auf ihre und konnte für einen kurzen Moment Dialyas Lächeln spüren, aber es verschwand so schnell wie es kam. Nach dem Kuss sah sie wieder abwesend weg. John stand auf.
   

   
      „Ich geh mir mal die Beine vertreten.“, meinte er und nahm seinen Kaffeebecher, „Ihr habt hier wohl etwas zu bereden.“
   

   
      Als Dialyas Vater weg war, drehte sie sich zu mir.
   

   
      „Ich habe einen Pfeil abgewehrt, der wohl daraufhin in seine Richtung geflogen sein muss.“, schluchzte sie, „Ich bin schuld daran.“
   

   
      „Nein.“, sagte ich, „Das ist doch nicht wahr.“
   

   
      Ich versuchte sie aufzubauen, aber Dialya schüttelte ab.
   

   
      „Ich weiß, was ich tat, Felix.“
   

   
      Ich legte meinen Kopf in den Nacken und starrte in die gleisenden Krankenhauslichter hoch. Mario würde das überleben, das haben sie uns schon gesagt. Wäre er aber einige Minuten später gekommen, dann wäre er verblutet. Ich hätte fast meinen besten Freund verloren. Tränen traten mir brennend in die Augen, welche ich sofort versuchte wegzublinzeln. Dialya lehnte ihren Kopf auf meine Schulter und war ziemlich schnell eingeschlafen. Sie war erschöpft, das verstand ich. Es trat ein betretenes Schweigen ein, welches andauerte, bis Dialyas Vater wieder zurückkam. Er setzte sich zuerst fünf Minuten genauso schweigend hin, bis er tief Luft holte.
   

   
      „Dein Vater war heute Nachmittag bei uns Daheim.“, sagte er schmunzelnd. Uns? Hat er mich da jetzt mit einbezogen?
   

   
      „Was wollte er?“, fragte ich unberührt. Mein Vater war mir mittlerweile so egal, ich konnte es gar nicht in Worte fassen.
   

   
      „Er hatte einen Anruf von der Schule bekommen, – ich übrigens auch, wegen unserem Problemfall – weil ihr abgehauen seid. Er wollte unbedingt wissen, wo ihr seid. Er hat geklingelt, ist hereingestürzt und hat Verwünschungen ausgerufen. Mich beleidigt, dass ich einen schlechten Einfluss auf Felix hätte, durch meine nichtsnutzigen Künstlereigenschaften, und Dialya beschimpft, dass sie gefälligst die Seele seines Sohnes in Ruhe lassen solle und so weiter. Ich denke, wir haben einen neuen besten Freund.“
   

   
      John lachte amüsiert und riss mich mit.
   

   
      „Ich hasse ihn.“
   

   
      „Ich nicht. Er ist ein guter Vater, denn er hat Recht. Wenn Dialya sich nicht in dich verliebt hätte, – übrigens Respekt, wie hast du das denn gemacht? – dann wäre deine Seele jetzt sonst wo. Dein Vater macht sich nur Sorgen um dich.“
   

   
      „Und schlägt mich.“, flüsterte ich und wurde unendlich traurig. Dialya und ihr Vater hatten – wenn ihr Vater nicht gerade einen schlechten Tag hat – ein annehmbar gutes Verhältnis. Ich war irgendwie eifersüchtig.
   

   
      „Felix Kehr?“
   

   
      Eine Krankenschwester kam auf uns zu. Ich meldete mich und sie gab mir die Hand. Vorsichtig weckte ich Dialya und stand dann auf. Sie rieb sich die Augen, was unglaublich süß aussah. Ich half ihr auf.
   

   
      „Ihr Freund ist aufgewacht. Er braucht noch etwas Ruhe, aber ich glaube ihr könnt zu ihm hinein. Aber nicht lange.“, erklärte die Krankenschwester und zeigte uns dann sein Zimmer.
   

   
      „Danke.“, murmelte ich und betrat mit Dialya und John Marios Zimmer.
   

   
      „Hey, Kumpel.“, begrüßte ich Mario. Er lächelte benommen und hob die Hand zum Gruß.
   

   
      „Depp. Was geht?“, sagte er.
   

   
      „Wie sieht’s aus?“, fragte Dialya und berührte sanft Marios Bandagen an seinem Arm.
   

   
      „Weiß ned. Bin grad erst aufgewacht. Die Deppen sagten, ich wär fast verreckt, Mann.“
   

   
      „Tut mir leid.“
   

   
      Dialya traten Tränen in die Augen. Ich hatte Mitleid mit ihr. Sie gab sich die Schuld an etwas, für das sie nichts konnte.
   

   
      „Du bist nicht schuld.“, flüsterte ich ihr ins Ohr und küsste ihre Schläfe. Ich umarmte sie von hinten und sie umfasste mit ihren Händen meinen Arm.
   

   
      „Was ist passiert?“, fragte John. Ach, stimmt ja. Wir haben ihm noch gar nichts erzählt.
   

   
      „Dharnia.“, sagte Dialya und es schien, als wäre schon alles erklärt, denn Johns Blick verhärtete sich.
   

   
      „Ist sie jetzt tot?“, fragt er mit einem Lächeln, „Endlich?“
   

   
      Dialya nickte. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber ich wette sie lächelte. Wir redeten noch ein wenig mit Mario, erzählten, dass mein Vater fast durchdrehte und dann kam schon die Krankenschwester herein. Sie erinnerte uns daran, dass Mario unbedingt etwas Ruhe brauchte. Also verabschiedeten wir uns und versprachen, dass wir morgen nochmal vorbeikommen würden. Er riss ein paar Scherze und dann gingen wir. Mit Johns Auto fuhren wir dann Richtung Heim.
   

   
      „Zuhause essen wir erst mal was.“, lächelte John und sah in den Rückspiegel, „Das habt ihr euch verdient. Nebenbei erzählt ihr mir, was genau passiert ist.“
   

   
      Dialya stimmte lächelnd zu und sah wieder etwas glücklicher aus. Zu Hause angekommen saßen Dialya und ich uns auf die Couch, während John in der offenen Küche stand und uns Vorschläge für ein Abendessen machte.
   

   
      „Ich hab‘ Bock auf Nudeln.“, sagte Dialya und spielte mit meinen Fingern.
   

   
      „Haben wir da. Pasta?“, fragte John woraufhin Dialya lächelnd nickte. Die beiden verstanden sich einfach so, ohne große Worte. Mich machte das neidisch. Dialya ergriff fest meine Hand und stand auf.
   

   
      „Wir warten unten.“, sagte sie.
   

   
      „Ist gut.“, murmelte ihr Vater. Dialya führte mich in ihr Zimmer und schloss die Tür, dann drehte sie den Schlüssel um.
   

   
      „Was hast du…“
   

   
      Weiter kam ich nicht, denn Dialya fiel über mich her. Sie faltete ihre Hände ein meinem Nacken, während sie sanft in meine Lippen biss.
   

   
      „Ich liebe dich.“, flüstere sie, als sich unsere Lippen kurz trennten. Ihr Blick haftete sich auf meine Lippen und mir wurde unnatürlich heiß. Ich umfasste sanft ihr Gesicht und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Ich musste mich zurücknehmen, denn sonst würde ich hier etwas verlieren, für dessen Verlust ich noch nicht bereit war.
   

   
      Dialya küsste wieder meine Lippen und legte ihre Hände auf meine Brust, während ich meine Hände auf ihren Hüften ruhen ließ. Dialya ließ kurz von mir ab, nahm meine Hand und zog mich zum Bett. Sie setzte sich auf die Kante und schaute mich erwartungsvoll an. Ich beugte mich hinunter und küsste sie, während ich mich an ihren Schultern festhielt. Dialya packte meinen Kragen und legte sich zurück. Durch ihren Zug musste ich mich auf sie legen und mich mit meinen Ellbogen rechts und links abstützen.
   

   
      „Was willst du jetzt von mir?“, fragte ich sie und küsste ihre Lippen. Sie drückte mich mit zusammengepressten Lippen zur Seite und setzte sich auf.
   

   
      „Weiß ich nicht.“
   

   
      Sie spielte nervös mit ihren Fingern und versuchte mich nicht anzublicken.
   

   
      „Ich liebe dich.“, sagte ich und streichelte ihre Schulter, „Werde ich immer tun.“
   

   
      Dialya drehte sich um, mit Tränen in den Augen, dann aber fing sie an zu lächeln.
   

   
      „Das macht mich glücklich.“, flüsterte sie und kuschelte sich an mich. Ich legte meine Wange an ihren Kopf und starrte ihren Schreibtisch an. War ich vielleicht doch bereit? Doch bevor ich mir eine Antwort drauf geben konnte, rief John uns von oben zum Essen. Dialya rief zurück, dass wir sofort kommen würden und stellte sich vor mich, dann küsste sie sanft meine Lippen, bevor sie mir ihre Hand anbot, welche ich ergriff, und mich dann wieder nach oben führte.
   

   
      „Also.“, fing John an und stellte uns jeweils einen Teller Pasta vor die Nase, „Erstens: Ihr seid übrigens suspendiert. Für den Rest der Woche. Zweitens: Was genau ist passiert?“
   

   
      „Warte, was?“, fragte ich, „Was meinen Sie denn mit suspendiert.“
   

   
      „Das ist nicht wichtig. Es ist deswegen, weil ihr abgehauen seid Felix. Nächste Woche dürft ihr wieder in die Schule.“
   

   
      „Ok.“
   

   
      Ich ließ es dabei, obwohl ich schon ein wenig erschrocken war. Das würde für immer meine Akte besudeln. Dialya schien das nicht zu stören. Sie aß genüsslich ihre Nudeln.
   

   
      „Erzählt mir jetzt lieber, was passiert ist.“, meinte John dann. Dialya und ich erzählten es dann jeweils aus unserer Sicht. Dialya ließ aber die Sache aus, dass sie sich selbst die Schuld an Marios Verletzung gab.
   

   
      „Sie wollte dich umbringen?“, fragte Dialya mich, als ich an der Reihe war. Ich nickte.
   

   
      „Sie hat geglaubt, dass du Carter verletzt hättest.“
   

   
      „Du meinst, ich bin schu…“
   

   
      „Also Dharnia hat den Tod eindeutig verdient.“, quatschte John dazwischen, bevor Dialya sich auch noch dafür die Schuld gab, „Ich hasste dieses Weib. Soll sie in der Höhle braten.“
   

   
      Er stopfte sich eine weitere Gabel Pasta in den Mund und sah uns lächelnd an, aber Dialya stocherte nur in ihrem Essen herum, was mir auch den Appetit verderbte. Ich wollte sie so nicht sehen, aber das musste ich wohl, denn unsere Probleme beinhalteten noch immer zwei Gesandte und ein Psentum. Und wenn ich Dialya glauben durfte, was ich wirklich sollte, dann würde es Woche um Woche schwerer werden.
   

   
      „Was macht ihr heute noch? Müsst ihr noch jemanden begraben gehen?“, fragt John witzelnd, aber es lockerte die Stimmung nicht wirklich.
   

   
      „Es war nicht deine Schuld.“, sagte ich.
   

   
      „Doch! Das war es verdammt!“, schrie Dialya und stand schwungvoll auf, wobei sie ihren Stuhl nach hinten umwarf.
   

   
      „Ich weiß, was ich tat, Felix. Während du meintest du müsstest mit deiner Ex turteln, habe ich nämlich gekämpft.“
   

   
      „Also darum geht’s?“
   

   
      „Nein!“
   

   
      Dialya fegte ihren Teller vom Tisch und stampfte wütend davon. Ich knirschte mit den Zähnen und wollte die Scherben aufnehmen, doch John sagte mir, ich solle mich setzen.
   

   
      „Was hast du getan?“, fragte er.
   

   
      „Ich habe nichts getan.“, verteidigte ich mich, denn das habe ich auch. Ich habe doch nur Clara beschützt.
   

   
      „Du kennst ihr Temperament. Also sei ehrlich.“
   

   
      „Ich habe mich auf Clara gestürzt und uns zu Boden gestoßen, weil sie sonst von einem Pfeil getroffen worden wäre.“, meinte ich ganz ruhig. Ich wusste nicht, wieso ich mich hier nun zu verteidigen hatte, denn ich hatte nichts Falsches gemacht.
   

   
      „Das hast du ihr auch gesagt?“, fragte John nach. Ich nickte.
   

   
      „Ich hab ihr auch versichert, dass nichts war.“
   

   
       Daraufhin überlegte Dialyas Vater.
   

   
      „John. Ohne Scheiß. Ich habe nichts anderes getan.“
   

   
      „Weißt du, dass ich Dialyas Mutter, Elaine, betrogen habe?“, fragte John auf einmal.
   

   
      „Nein.“
   

   
      „Habe ich aber. Dialya weiß das. Sie ist sehr empfindlich in dieser Hinsicht. Vor allem, weil sie für dich ihr Leben ändert, da muss sie sich also hundertprozentig sicher sein. Kann sie sich das sein?“
   

   
      „Ja, verdammt!“, rief ich, weil es stimmte. Ich würde Dialya so etwas nie antun.
   

   
      „Sag nicht mir das. Sag es ihr.“
   

   
      Und da fiel mir wieder etwas ein. Etwas, das mich immer an Dialya denken ließ. Ich habe mich, sozusagen, wegen diesem Satz in sie verliebt. Er war der Anfang dieses Glücks.
   

   
      Sag du es mir…
   

   
       
   

    Dialya

   
     

   

   
      Ich dachte nicht gerne darüber nach, denn es schmerzte. Auch wenn ich nicht die war, die er betrog, fühlte ich mich betrogen. Mein Dad hatte gerade das Studium absolviert, was uns alle freute. Ich war um die vier Jahre alt. Wir hatten ein riesen Festessen für Dad, Mutter und mich. Dann vergingen ein paar Wochen, in denen Dad sehr distanziert war. Eines Nachts weckten mich Geräusche, die von unten kamen. Ich tapste aus dem Bett und trottete dann die Treppen hinunter, um meinen Dad zu entdecken, der gerade zwei Koffer aus der Tür schob. Ich rannte zu ihm hin und stolperte direkt vor seinen Füßen.
   

   
      „Dialya.“
   

   
      Er hob mich hoch und kniete sich zu mir herunter. Seine warmen Hände umschlossen mein Gesicht und er lächelte.
   

   
      „Dia.“, flüsterte er, „Geh ins Bett. Und sag Mom morgen, dass ich nicht mehr zurückkomme, ja?“
   

   
      Ich verstand die Welt nicht mehr.
   

   
      „Daddy, wieso…“
   

   
      „Dia. Sei ein großes Mädchen.“, mahnte mich mein Dad, dann stand er auf und packte die Kofferhenkel.
   

   
      „Kommst du John?“, fragte eine kleine Frau, die vor einem Auto wartete, „Wir müssen los.“
   

   
      Mein Dad ging auf sie zu, küsste sie, packte die Koffer in den Kofferraum des Wagens und stieg dann ein. Ich rannte hinaus in die kalte Luft des Pariser Winters und klatschte mit meinen nackten Füßen auf den nassen Boden.
   

   
      „Daddy.“, schrie ich. Der Motor ging an.
   

   
      „Daddy!“
   

   
      Ich rannte und rannte, dann war der Wagen weg und ich fiel auf die Schnauze. Ich kauerte zusammen und fing an zu heulen, ließ den ganzen Frust durch Tränen hinaus und hatte einen solchen Hass auf meinen Dad.
   

   
     

   

   
      „Am nächsten Morgen fand ich meine Mutter heulend am Küchentisch. Sie las mir den Abschiedsbrief meines Vaters vor und versank in Tränen, während ich die Welt wirklich nicht mehr verstand.“
   

   
      Ich legte meinen Kopf auf Felix‘ Brust, welcher auf dem Rücken auf meinem Bett lag.
   

   
      „Aber wie… Dein Vater hat dich doch dein ganzes Leben begleitet, hast du gesagt. Und er sitzt dort oben.“, widersprach Felix und war sichtlich verwirrt.
   

   
      „Er ist zurückgekommen. Noch am gleichen Tag, weil er Zweifel bekam. Er hatte diese Frau schon im Studium kennengelernt, öfters mit ihr geschlafen und dann wollten sie durchbrennen. Nach England. Aber mein Dad hat wohl erkannt, wo sein Herz wirklich hingehört. Mutter hat ihm sofort verziehen, aber ich war sehr lange distanziert. Als meine Mutter dann starb, verbesserte es sich zwischen uns irgendwie wieder, obwohl er mir immer die Schuld an dem Unfall gab. Und jetzt, da ist irgendwie alles wieder gut.“, erklärte ich und schniefte.
   

   
      „Wow. Das… ist hart.“
   

   
      Felix strich durch meine Haare und atmete aus.
   

   
      „Das würde ich dir nie antun, Dialya. Das weißt du.“
   

   
      „Woher soll ich das wissen?“, murmelte ich zurück, denn ich wusste nicht, warum ich mir da so sicher sein sollte, wie er sagte.
   

   
      „Ich bin christlich erzogen worden. Wenn ich an etwas glaube, dann an die Monogamie.“
   

   
      Ich drehte mich auf den Bauch und starrte Felix an.
   

   
      „Monogamie.“, wiederholte ich, „Warum sollte mich das überzeugen?“
   

   
      „Dann machen wir es anders.“, sagte Felix und lehnte sich zu mir. Er küsste mich.
   

   
      „Ich liebe dich.“, sagte er, „Das habe ich